Was bedeutet Saatguternte?

In Kürze:

- Für die Samenqualität sind u.a. Bodenbeschaffenheit, Witterung und Sortenauslesen wichtig. Wir ernten nur  vollreife sehr weiche Früchte für die Samenernte. Zu feste Früchte sind zwar genussreif doch für die Samenernte noch nicht ganz ausgereift.  Und weiche Tomatensorten lassen sich immer noch zu schmackhaften Soßen verarbeiten.

- Tomaten verkreuzen sich zum Glück nicht so sehr, je Sorten sollten 5 -10 oder mehr Pflanzen gesetzt    
   werden.  Das ist wichtig für die Auswahl der besten Exemplare zur Saatgutgewinnung.

- Saatgut nehme ich nur von den gesündesten Pflanzen und den besten Früchten aus dem 1. Erntedrittel.
  Das ist bei mir meistens von Mitte Juli bis Mitte August. Spätere Samenernten funktionieren auch,
  doch ich möchte im Lauf der Jahre immer etwas früher reifende Tomatenpflanzen haben.

- Von den Früchten entferne ich alles was ich nicht essen will wie Strunk, Verkorkungen und halbiere die Früchte.  Die Fruchthälfen wasche ich in einer großen Schüssel mit handwarmen Wasser aus.

- Das Fruchtfleisch pürriere ich in einem großem Mixer (Blender, Vitamix, Revoblend oder ähnliches) zu feiner Soße.  Die Samen spüle ich ein einem großem Küchensieb aus und lasse sie 1 -2 Tage in einem Wasserbad vergären. Das anfangs klare Wasser färbt sich milchig grau und riecht milchsauer vergoren.

- Bei dem Gärprozess werden Krankheiten auf dem Samenkorn dezimiert und das Fruchtfleisch löst sich gut von den Samen ab. Die Samen sind später gut streufähig.

- Danach spüle ich die Kerne wieder in einem großen feinmaschigen Küchensieb ab und trockne diese für 1 -2 Wochen auf beschichteten Papptellern.  Pappteller kann ich gut mit dem Sortennamen beschriefen und auf den mit dünner Plastikfolie bezogenen Tellern lassen sich die Kerne leicht ablösen.

- Das Saatgut fülle ich in Papiertüten die ich alphabitsich sortiert in Din A 6 Fotoboxen archiviere.  Es hält nach meiner Erfahrung 5 -10 Jahre. Mein ältesten Tomatensamen keimten 2014 nach über 14 Jahren immer noch zu 95 %.

 

Die Arbeit


Seit Ende Juli ernte ich Saatgut für die nächste Tomatengeneration. 2015 habe ich einige hundert Kilo Tomaten auf diese Weise verarbeitet. 

Jede Woche wiederholt sich der Prozess: Früchte ernten, Tomaten vorbereiten, Auswaschen, Saatgut vergären lassen, Nach ein bis zwei Tagen vergorene Kerne abspülen, auf Papptellern trocknen, in Tüten für das Versandarchiv packen, alphabetisch einsortieren und bei Bedarf kleine Portionen für unsere Ausstellungen abpacken.
Die Samenmenge hängt sehr von der Sorte ab. Eine 1 kg schwere Ochsenherztomaten hat manchmal nur 20 Körner, während eine kleine Cocktailtomate locker das doppelte haben kann....

Die Bilder vermitteln einen Eindruck welche Arbeit dahinter steht und wie intensiv das Zusammenleben mit Tomaten sein kann.

 

 

Warum mache ich das ?

Ich schätze das Saatgut der Pflanzen, die in meinem Garten wachsen. Schon seit Jahren kultiviere ich die seltenen Tomatensorten und nehme sie als etwas Einzigartiges war. Sie schmecken gut und überraschen mich Jahr um Jahr mit neuen liebenswerten Eigenschaften wie ein feiner Geschmack, eine besonderer Farbton oder einen überragend guten Ertrag auf Freilandflächen. Sie keimen gut und vor allen in den Gärten der anderen  sehe ich sie zu eindruckvollen, robusten, reichtragenden Tomatenpflanzen herranwachsen.  Dieses Jahr habe ich unzählige Bilder von reichtragenden Pflanzen fotografiert und sehe ein gewaltiges Potential.

Während auf den großen Äckern und Anbauflächen der industrialisierten Landwirtschaft andere Bedingungen herrschen und Vielfalt dort noch eher zurückgeht möchte ich zumindest in den freien privaten Gärten Vielfalt in Form lebendiger Genbanken wachsen sehen. Leben kann sich für mich nur durch Vielfalt in allen Ebenen (Anbau, Sorten, Verwendung, Kombination....) entwickeln und anpassen. Ich stehe, trotz reizvoller Alternativen, an warmen Sommertagen und Nächten in meiner Küche und wasche Tomatenkerne aus.

Jedes Korn steht für individuelles Leben, Leben das leben will. Und es kann ungeahnte genetische Eigenschaften mitbringen im Sinne der Evolution= Entwicklung, die sich erst bei seinem Wachstum im Folgejahr bemerkbar machen.
Ein Samenkorn mit veränderten genetischen Eigenschaften kann sich vielleicht besser an die Herrausforderungen des Lebens anzupassen oder einfach liebenswert anderes zu sein: Sei es eine größere Toleranz gegenüber Krankheiten, ein besserer Geschmack, ein reicher Ertrag, platzfestere Früchte oder eine besondere Farbgebung. Ich sehe wieviel Freude die besonderen Tomatensorten in die Gärten und das Alltagsleben ihrer Gärtner /-innen  bringen, sei es durch kulinarischen Genuß, Ertrag und vielseitige Nutzungsmöglichkeiten.