Tipps zur Saatguternte

Unsere Pflanzen sind samenfeste Sorten. Sie können aus den Früchten sortenecht weitervermehrt werden. Anders als Hybriden können sie sich in Ihren Sortenmerkmalen leicht unterscheiden. Je nach Standort und Kulturführung können sich Pflanzenindividuen einer Sorte unterscheiden. Bevor Sie allerdings an die Auslesen gehen, folgt erst einmal die Phase der Sortenauswahl an sich. Es macht schlicht und einfach Freude viele verschiedene Tomatenfrüchte ernten zu können und festzustellen welche Sorten mit ihren typischen Wuchseigenschaften am besten zu Ihnen passt. Die Sorten, die Ihnen am besten gefallen, sollten Sie zur Sicherheit selbst vermehren. Schonend aufbereitetes Tomatensaatgut ist mindestens 5 -10 Jahre keimfähig. Das Tomatensortiment heute ist reichhaltig, doch nur selten sind die ganzen Tomatensorten über viele Jahre im Angebot.  Wichtig für eine gute Qualität ihrer Nachzuchten sind die Pflanzengesundheit, die Reife der Früchte und der Schutz vor Fremdbefruchtung. Diese Tipps geben Ihnen eine erste Orientierung um selbst hochwertiges Saatgut zu gewinnen.

Tipps zur Saatguterzeugung und zum Sortenerhalt im Hausgarten

Tipps für eine gute Saatgutqualität

  • Nehmen Sie nur von gesunden Pflanzen, die am besten Ihren Wunscheigenschaften entsprechen Früchte zur Saatgutgewinnung. Vorteilhafte Eigenschaften sind zum Beispiel wenig Geiztriebe, leckere Früchte mit wenig Schnittanteil, ertragreiche Pflanzen etc.

  • Ernten Sie im ersten Erntedrittel (Juli, August) Ihre Früchte zur Saatgutgewinnung.
    Generell gilt: Für den Samenanbau das Beste vom Besten.

  • Verwenden Sie nur vollreife, schon fast zu weiche Tomatenfrüchte für die Saatgutgewinnung. Wenn eine Tomate bereits genussreif ist müssen ihre Samen noch lange nicht ausgereift sein. Unregelmäßige Korngrößen reifen auf eine zu frühe Ernte der Tomatenfrüchte hin. Nicht immer ist es möglich vollreife Tomaten zu ernten. In Regenperioden müssen Freilandtomaten eher geerntet werden. Bei Regen platzen die Früchte auf und können leichter faulen. Halbreife Früchte müssen gegebenfalls nachreifen.

  • Pflanzen Sie pro Sorte, die Sie erhalten wollen mindestens 5 -10 Pflanzen. Je mehr desto besser. Je größer Ihr Bestand ist, desto besser können Sie Ihre Auswahl treffen. Mit etwas Übung werden Sie schnell Unterschiede in anfangs homogen erscheinenden Pflanzen sehen können.

  • Immer wichtiger wird, das Sie beim Sortenerhalt Fremdbefruchtungen vermeiden. Anfangs war das bei Tomaten kaum ein Thema. Doch in Zeiten der Nahrungsknappheit bei Insekten werden die fremdländischen Tomatenblüten immer begehrter.
    Tomaten mit Blüten deren lange Narbe über den Pollen ragt sind verkreuzungsgefährdet. Doch bei den meisten Sorten verbirgt sich die Narbe hinter den Pollen. Diese sind nicht verkreuzungsgefährdet.

  • Sie können ihre Tomatenblütenstände nach der Befruchtung in einem Insektensicheren aber luftigen Gazesäckchen vor fremden Pollen schützen. Unbefruchtete Tomatenblüten sind leuchtend gelb, befruchtete sind leicht grünlich oder gelbgrün. Ich habe mir allerdings diesen Aufwand des Blütenverhüllens noch nicht gemacht. Ich pflanze die gleiche oder ähnliche Sorten nebeneinander.

  • Gönnen Sie Ihren Pflanzen einen weiten Abstand von mindestens 70 cm. Verkreuzungen geschehen oft in hoffnungslos zu dichten Pflanzenbeständen. Im Gewächshäusern, vor allen Kleingewächshäusern passieren viele Fremdbefruchtungen.

  • Lieblingssorten zur Vermehrung sollten separat von Ihrem Vielfaltstomaenbeet stehen. Achten Sie bitte auch auf Tomaten in Nachbars Garten.

  • In kleinen Gärten ist es praktisch die Seiten ihres Tomatendaches mit einem luftdurchlässigen, feinmaschigen Insektenschutznetz zu verhüllen. Im Profianbau nennt sich das Isoliertunnel.

Machen Sie sich bewußt, das Sie im Hausgarten selten super stabile Topsorten gewinnen können dennoch aber sehr viele Einblicke in das Pflanzenleben an sich gewinnen. Wir können nur selten Fremdeinkreuzungen ganz verhindern. Ebenso will jede noch halbwegs natürliche Sorte ihren ganzen Reichtum an Varianzen hervorbringen. An verschiedenen Standorten können unterschiedliche Sortenmerkmale stärker hervortreten:  Hier gibt es mal hellere oder kleinere Früchte, dort ist der Wuchs niedriger oder höher.  Je länger Sie mit einer Sorte arbeiten desto besser werden Sie sich aneinander anpassen. Einen weiteren Vorteil stellen Sie bei der Aussaat fest: Dutzende Gärtner und ich selbst haben festgestellt, das das eigene Saatgut immer am besten keimt.

Tomatensorten: Verkreutzung oder natürliche Varianz?

Ich baue jetzt seit 1999 Tomaten in meinen Gärten an. Oft waren es viele Sorten an einem Platz. Anfangs war das kein Thema, die Pflanzen fielen in den Folgegenerationen weiterhin echt. Doch inzwischen wirken sich Verkreuzungen und oder unbedachte Auslesen negativ in der Saatgutqualität aus. Wer sein Saatgut weitervermehrt sollte sich über die eigene Saatgutqualität bewusst sein und diese bei der Weitergabe entsprechend deklarieren.  Einen Versuch die derzeitigen Saatgutqualitäten zu beschreiben habe ich hier gemacht: Saatgutqualitäten.
Nur die wenigsten von uns haben perfekte Möglichkeiten zum Sortenerhalt. Das sollte allerdings kein Hindernis zur eigenen Saatgutgewinnung sein. Es ist wichtig die Hausgärten als eine Art Brutstätte, Entwicklungsstation für liebenswerte neue Sortenvarianten zu beachten.
Hinzu kommt eine natürliche Varianz der Individueen einer Tomatensorte, die meist Vorteilhaft ist.  Selbst bei gleichen Genen beeinflussen Klima, Kulturpflege und Standort ebenso die Ausprägung von Früchten, Pflanzenwuchs und Ertrag.
Wer sich und anderen langfristig eine Freude bereiten möchte sollte folgende Bedingungen beherzigen:

Fremdbefruchtung, Verkreuzungen:
Verkreuzungen, Fremdbefruchtung passieren dann wenn in der Tomatenblüte die Narbe über den Pollen hinausragt. So kann eine völlig anders geformte Frucht an einer Pflanze hängen, z.b. ist bei runden Cocktailtomaten eine Miniaturfleischtomate dabei. Verkreuzungsgefährdet ist nach meinen Beobachtungen die lange Flaschentomatensorte 'Striped Roman'. In Nachbarschaft zu Ochsenherztomaten entwickeln viele Pflanzen deutlich breitere und keilförmigere Früchte mit leider oft mehligen Aroma. Eine so unterschiedliche Form führe ich auf Verkreuzung zurück. In Gärten wo viele verschiedene Tomatensorten dicht an dicht stehen und unsere Insektenwelt in der immer stärker zu Wüste geformten Umwelt kaum noch Nahrung finden ist die Gefahr durch Fremdbefruchtung hoch.

Natürliche Varianz:
Allerdings haben viele seltene Tomatensorten ein noch breiteres genetisches Potential als stark durchgezüchtete Sorten. Ihre natürliche Varianz z.B. auf Wuchshöhe, Fruchtform ist deutlich höher und je nach Standort kann sich eine Sorte mehr oder weniger entfalten. Bei der reingelben Stabtomatensorte 'Talent' fielen mir seit 2013 immer wieder einzelne Individuen mit cremegelben Früchten auf. Ansonsten zeigten die Pflanzen keine Veränderiung. Ähnlich ist es mit der 'Gelben Topftomate'. Auch hier mischen sich immer wieder einzelne cremegelbfrüchtige Individuen unter die aparte Zwergtomate. Deutlichere Unterschiede bei der Fruchtfarbe konnte ich bei der roten Cocktailtomate 'Lylia' feststellen. Hier kamen orangefrüchtige Pflanzen zum Vorschein, die in der nächsten Generation sowohl Pflanzen mit roten als auch mit orangen Früchten bildeten. Bei der roten Sorte 'Alaska' gibt es seit 2017 orangefrüchtige Exemplare. Ebenso spaltet sich die hellgrünlaubige Zwergtomate 'Tigerette' in Pflanzen mit rot gelb gestreifte und hellgelb gelb gestreiften Früchten auf. Ansonsten ändert sich in Wuchs und Ertrag nichts.

Andere Sorten wie 'Green Zebra' bilden an warmen Standorten mit guter Nahrstoffversorgung über 10 cm große flachrunde Fleischtomaten aus während die meisten Pflanzen sich mit 6-8 cm runden Früchten zufrieden geben.

Die anfangs 1 m hohe rote Flaschentomate 'König Humbert' bildet seit 2011 nur noch 30 -40 cm hohe Pflanzen mit immer noch reichen Ertrag aus. Ich kann diese Sorte eher für den Anbau in Töpfen oder im Hochbeet empfehlen. Auch Samen aus anderen Quellen bildeten die kleinwüchsigen Pflanzen. Dabei wurde die Sorte aus dem letztem Jahrhundert anfänglich als 1 m hoher Massenträger beschrieben. Möglicherweise ist für diesen Zwergenwuchs ein Virus verantwortlich. Doch auch meine 'König Humbert' Zwergformen tragen nach wie vor eine reiche lange anhaltende Ernte.

Die rote, runde nur 40 cm niederige Cocktailtomate 'Tumbling Tom' bildet nun schon zum zweiten Mail immer zum Saisonende hübsche spitzfrüchtige Früchte mit hübschen gelben Streifen. Am Anfang und zur Erntemitte sind die Früchte einheitlich rund und tiefrot.

'De Berao, schwarz' bildet bei mir zunehmend runde Früchte.

Besonders bei blaufrüchtigen Tomaten beobachte ich eine sehr deutliche Varianz. Die Sorten 'Jolie coer', 'Elberta Leeway', blau' reifen von blaugelb, blauorange, blaurosa und blaurot ab. Ihre Fruchtform bleibt oft gleich. Manchmal ändert sich ihre Fruchtgröße. Die ursprünglich 6 cm flachrunde blaurote 'Indigo Rose' bildet sowohl 3 -4 cm flachrunde blauorange oder kugelrunde, blaurote als auch nur 2 -3 cm dunkelblauvielette, sehr schmackhafte Früchte aus. Die Pflanzhöhe ist bei der großfruchtigen Form bei knapp 2 m und bei der kleinfruchtigen Form knapp 1,2 m. Die größte Varianz erlebe ich bei den Ochsenherztomaten. Hier bildet eine Pflanze innerhalb einer Saison 5 -15 cm große Früchte mal flachrund, keilförmig oder in echter Herzform aus.

Fruchtverformungen und Geschmacksänderungen im Herbst
Insgesamt beobachte ich bei fast allen Sorten zum Herbst hin eine Verformung der Früchte. Viele runde Sorten wie 'Auriga', 'Lukkulus', 'Handschuhsheimer Feldtomate' werden kantiger oder länglicher, einige wie 'Liguria', 'Roma' werden innen hohl. Viele kugelrunde Sorten werden leider am Fruchtansatz ähnlich wie bei einer Fleischtomate leicht buchtig. Andere reinrote Sorten haben auf einmal eine ganz leichte hellere Flammung. Das Aroma der Tomatenfrüchte wird im Herbst oft angenehm erdiger. Bei vielen Sorten wie 'Green Pear' ist das eine deutliche Verbesserung im Geschmack. Bei anderen wie 'Ananas noir' geht mit der Kälte eindeutig das Aroma zurück. Ich bin um diese Zeit mit meiner Saatguternte oft schon durch.

Die aktuelle Situation bei den Tomaten und ihrer Sortenpflege

Ich glaube das bei aller Tomatenleidenschaft und Sortensammelwut viele Sorten nicht mehr richtig durch gepflegt werden. Es reicht nicht nur von gesunden Pflanzen das Saatgut zu nehmen Pflanzengesundheit ist natürlich ein sehr wichtiges Merkmal. Wichtige Auslesekriterien sind für mich eine geringe Verzweigung oder Geiztriebbildung einer Stabtomate um diese besser pflegen zu können. Ebenso sollten die Früchte frei von übermäßigen Verkorkungen, großen Stielansätzen sein. Besser sind ebenmäßige glatte, runde oder ovale Früchte um Schnittabfälle und Arbeitsaufwand zu vermeiden. Lange Erntezeiten und ein guter Geschmack spielen für mich auch eine wichtige Rolle. Mehlige Früchte verwende ich gar nicht für die Saatguternte. Ebenso verwende ich auch keine Sorten die übermäßig zur Fruchtendfäule oder Grünkragen neigen. Meistens liegt das zwar an den Kulturbedingungen, doch manchmal auch an den Genen.

Anders als vor über 10 Jahren wird jetzt der Bedarf mit vielen Tomatensorten mehr als überschwemmt. Das Sortiment ist durch viele Doppelbenennungen und neuen Auslesen unübersichtlich. Die Qualität des Saatgutes oft minderwertig und alles andere als sortenstabil. Doch die wenigsten davon sind wirklich sortenrein oder sortenecht. Das müssen sie auch nicht sein, doch sie sollten bei ihrer Weitergabe fairerwaise entsprechend gekennzeichnet werden.  Es wachsen zuviele verschiedene Sorten im Garten und es wird oft von qualitativ minderwertigen Pflanzen das Saatgut genommen. Oft wird viel zu spät an die Samenernte gedacht und damit unbewußt eine negative Auslese hin zu einer späteren Erntezeit gefördert. Vieles passiert aus Unwissen.