Tomatiger Jahresrückblick 2018

Es war eines der extremsten Gartenjahre seit langem und zeichnete sich durch eine lange Trockenheit und Hitze aus. Ab September wurden wir mit einem wunderbaren milden sommerlichem Herbst belohnt. Die Freibadesaison endete bei mir am 18. Oktober und die letzten Tomaten erntete ich Ende November im ungeheizten Gewächshaus.
Am Auffälligsten war der für unserer Breiten noch eher ungewöhnliche Lichtstreß durch eine oft zu hohe Sonneneintrahlung.
 

Milder Winter bis auf 3 Wochen
Doch in den ersten zwei bis drei Monaten des Jahres war davon noch nicht viel zu merken. Die Sonne war bei dem ständig betrübten Wetter kaum zu sehen. Bis zum März herrschte nass kühles, doch für die Jahreszeit relativ mildes Wetter mit Temperaturen knapp oberhalb von 0°C vor. Regen gab es trotz gelegentlichen Nieselwetters nur selten. Erst gegen Ende Februar wurde es für einige Wochen deutlich kälter. Anfang März, genau zur Aussaatzeit, gab es die kältesten Nächte um – 7 °C und etwas Schnee. Über moderate Heizkosten hätte ich mich gefreut.
Ab Ende März wurde es sonniger. Wie schon in den Jahren zuvor bewirkte das trockene Frühjahr den ersten Trockenstress für dieses Jahr. Die Jungpflanzen von Tomaten keimten gut und sie konnten sich ab März schon an einigen Sonnentagen mit angenehmen Licht erfreuen. Den Paprika war es zum Keimen zu kalt, es gab hohe Ausfälle. Chili und Auberginen kamen später aber sehr zahlreich. Erfreulich war, das es bei mir sehr viele Gartenvögel gab und sich der Schädlingsdruck in Grenzen hielt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Gartenpflanzen zeigen Tomatenpflanzen uns sehr deutlich wenn ihnen etwas nicht passt. Anhand ihres Verhaltens lassen sich viele Rückschlüsse auf die übrige Pflanzenwelt ziehen. Außerdem sind die eigensinnigen Diven mit ihren köstlichen Früchten noch fast jedem bekannt.

Jungpflanzenwachstum im Frühling, der ein Sommer war....
Bis Ende März gab es noch leichte Nachfröste doch bereits seit Mitte April herrschte Sommer und ab Juni Hochsommer. Die Tomatenjungpflanzen wuchsen in ihren Anzuchttöpfen ungewöhnlich schnell und hatten gegen Ende April eine Pflanzenhöhe von 20 - 30 cm. Manche Pflanzen waren noch höher und meine Gewächshäuser glichem einem Dschungel. Das war ein Streß ganz anderer eilweise durfte ich zweimal gießen und bei den Märkten war ich auf fremde Hilfe beim Transport der überhohen Pflanzen angewiesen.

Im Jahr 2017 hatten viele Pflanzen dank der sehr kühlen Temperaturen eine Höhe von gerade einmal 10 cm. Doch hatten sich die anfangs winzigen Jungpflanzen ab Mitte Mai und vor allem nach dem Auspflanzen sehr prächtig entwickelt. Anfang Juni wuchsen gerade einmal 5 cm kleine Aubergine bis Mitte Juli bis zu einem Meter und hingen voller gesunder, großer Früchte.
2018 lief das Tomatenwachstum im Garten nur sehr schleppend an. Nach dem Auspflanzen stagnierten die großen Pflanzen und zeigten schon sehr bald massive Stresssymptome mit vergilbten Laub, herabfallenden Blüten und den ersten Sonnenbränden auf den Früchten.

Zuviel Licht ????
Es war bisher kaum vorstellbar, das es bei uns zu Wachstumsstockungen durch zu viel Licht kommen kann. Doch genau das geschah schon im Juni 2018. Pflanzen haben ihren Optimumbedarf an Licht, wird dieser überschritten stellen sie die Photosynthese ein. Ebenso brauchen sie zum Stoffaufbau Schattenzeiten.
Während die Photosynthese zu Energiegewinnung dient ist zum Stoffaufbau die Atmung notwendig. Nicht nur im Tagnachtzyklus sondern auch durch die wechselnde Beschattung am Tag kann die Pflanze beide Vorgänge betreiben. Selbst in vollsonniger Lage liegt ein Teil der Pflanzenblätter im Schatten des oberen und äußeren Laubes. Ebenso haben wir durch viele wolkige Sommertage eine natürliche Schattierung.
Besser ist für viele Pflanzen eine extra Schattierung aber auch ein Windschutz durch andere Pflanzen. In südlichen Ländern haben die Menschen schon viel länger Erfahrung mit Hitze, Trockenheit und zu intensivem Licht.
 

Buchtipp:
Das für mich bisher passendste Buch was die Auswirkungen vom Sommer 2018 beschreibt ist von Nikolay Kurdyumov. Das Buch heißt: „Clever Gärtnern im Gewächshaus- Selbstversorgung- Permakultur“.  Link: OLV Verlag
Der Autor beschreibt Zusammenhänge, die wir nach dem letzten Sommer auch mit den erlebten Auswirkungen von Kümmerwuchs bis Sonnenbrand an Blättern und Früchten nachvollziehen können.

Gemüsepflanzen schattieren
Topftomaten gediehen dieses Jahr an halbschattigen Standorten besser. In südlichen Ländern mussten schon viel früher Maßnahmen gegen Hitze und Trockenheit unternommen werden.
Dort ist eine Schattierung der Pflanzen seit Jahrtausenden völlig normal. Die Inkas hatten pergolaartige Schattiergestelle, die mit trockenen Pflanzenteilen bedeckt waren. Ähnliches taten schon die Völker im Mittelmeerraum und in den Steppen Südrußlands.

Die Nachteile vom Wind
Von Mai bis Anfang Juli hatten wir relativ windiges Wetter. Dank der hohen Temperaturen fand ich den Wind angenehm. Meine Tomaten litten.
In Bodennähe entsteht das für die Photosynthese wichtige Kohlendioxid. Ein ständiger Wind fegt das Gas weg und die Folge ist ein verlangsamtes Pflanzenwachstum. Wind gab es in der ersten Sommerhälfte genug. In freiliegenden Gemüsegärten waren die Schäden deutlicher zu beobachten. In Gärten mit mehr Bäumen, Sträuchern und am besten noch einer Wasserfläche wuchsen die Pflanzen viel gesünder und brachten eine reichere Ernte. Sehr wirkungsvoll sind zusätzliche Windschutzzäune und Kulturschutznetze. Letztere werden je nach Einsatzgebiet als Windschutz, Schattierung, Insektenabwehr und bei der Pflanzenzüchtung zur Vermeidung von Fremdbefruchtung eingesetzt.

Besonderheiten im Gewächshaus
Auch in Gewächshäusern haben die Pflanzen einen Megastress. Schon an normalen Sommertagen sind es doch oft über 40 °C und wenn das Thermometer draußen über 30°C klettert sind im Inneren locker über 50 °C erreicht. Das kann nicht gesund sein.
Es reicht nicht die Gewächshäuser einfach nur großzügig zu lüften und ständig eine Bewässerung laufen zu haben. Der Durchzug garantiert zwar eine Temperaturabkühlung doch er transportiert auch das ganze CO2 davon. Viel effizienter sind sehr feinmaschige, luftdurchlässige Netze. Ich werde in Zukunft die breiten Durchgänge meiner Gewächshäuser mit einem feinmaschigen Netz abhängen und beobachten was passiert.
Es macht Sinn die Gewächshäuser zu schattieren und die Lüftungsöffnungen und die Türeingänge mit diesen Netzen zu versehen. Es entsteht ein viel besseres Kleinklima.
Für den Tomatenanbau ist eine Pflanzenüberdachung mit Folie und ein seitlicher Schutz mit den Netzen sehr pflanzenförderlich.

Sonnenbrand und Fruchtendfäule
2018 war es ratsam die Tomaten so wenig wie möglich aus zu geizen. Jedes gesunde Blatt schützt die Früchte vor dem Sonnenbrand. Ein Vorteil war das es so wenig Braunfäule gab. Häufiger war das Symptom der Fruchtendfäule als Folge von Ernnährungsstörungen und Calziummangel in der Frucht zu sehen. Ab Ende August hatten meine Pflanzen kaum noch Fruchtendfäule.

Ozonschäden ?
Immer wieder beobachte ich an den Tomatenblättern scharf abgegrenzte Blattflecken und Vergilbungen das mich an früher Bio Leistungskurs Stunden mit den Ozonschäden an Tabakblättern errinnert. Beides sind Nachtschattengewächse. Ich lese und höre wenig von Ozonschäden. Ende der 80ziger war es ja mal ein großes Thema… Mir fehlt die wissenschaftliche Kompetenz Näheres dazu zu sagen.

Andere ungünstige Wachstumsfaktoren
Insgesamt machen sich auch in den Haus und Kleingärten die Folgen einer massiven Bebauung und einer intensiven Landwirtschaft bemerkbar. Neue Siedlungen zeichnen sich durch riesige Häuser und wenig Bepflanzung aus. Statt auf natürliche Kleinklimaregelung wird hier auf noch mehr Technik für Klimaanlagen und Co gesetzt. Die Folge sind noch mehr Feinstaub und noch mehr Wärmespeicherung durch Gebäude. Wenn der Feinstaub schon bei uns Menschen die Atemwege reizt wie sieht das dann bei den Pflanzen mit ihren winzigen Spaltöffnungen aus? Bei älteren Siedlungen gibt es immerhin noch ein paar Bäume, die größer als die Gebäude sind. Doch viele neuen Siedlungen wirken für mich als Pflanzenliebhaberin eher lebensfeindlich.
Nun - wenn schon bei den gesellschaftlichen Trends wenig entgegen zu wirken ist, so kann man zumindest in kleinen Schritten Sinnvolles für ein entspannteres Pflanzengedeihen umsetzen.

Sommer 2018 Gießen ohne Ende
Neben der Tröpfchenbewässerung tat es den Pflanzen gut das ganze Beet täglich durchdringend zu bewässern und einen genügsamen Unterwuchs zur Schattierung des Bodens zu tolerieren. Die Verdunstung der bodendeckenden Pflanzen kam den Tomaten zugute. Abgesehen vom Rasen blieb mein Garten in vielen Teilen grün.

Ein wunderbarer Herbst – der ein Sommer war...
Ab Anfang September erholten sich die Pflanzen zunehmend von der sommerlichen Hitze und Trockenheit. Das Aroma wurde ohnehin erst mit den gemäßigteren Temperaturen besser. Zuvor sind die Früchte einfach viel zu schnell gereift. Für die Ausbildung von besonders intensiven Aroma blieb ihnen im letzten Sommer zu wenig Zeit. Hier beobachtete ich große Unterschiede bei den Sorten.

Riesenernte im Herbst
Die eigentliche Ernte der Tomaten legte jetzt noch einmal für weitere 6 -8 Wochen zu. Aromatische Freilandtomaten bis Ende Oktober oder eine Gewächshaustomatenernte bis Mitte November waren keine Seltenheit.
Es war eine Saison mit einer relative späten aber reichlichen Haupternte. Diese war nur sehr wenig durch Braunfäule oder Obstfliegen beeinträchtigt.

Grüne Stinkwanzen beeinträchtigen die Ernte
Allerdings litten neben Tomatenfrüchten viele andere Gemüsepflanzen unter den Grünen Stinkwanzen, die den schönen wissenschaftlichen Namen Palomena prasina tragen. Bei Tomaten macht sich die Schädigung durch vielfach punktierte Schale und fahles, bitter saueres Aroma bemerkbar. Wirkungsvolle Gegenmaßnahmen gibt es nicht. Die Tiere hatten sich durch die trockene heiße Witterung zahlreich vermehren können. Sie lieben warme trockene Plätze Unterwuchs und einige Wildpflanzen wie Brennesseln. Wenn diese Wildpflanzen ganz aus dem Garten verbannt werden, berauben sich die Garteneigentümer um viele nützliche Insekten. Es bleibt ein Abwägen, was sich wo am besten gejätet wird.

Besonderheiten bei der Saatgutgewinnung
In Bezug auf die Saatguternte war es ausnahmsweise besser die Herbsternte von den inzwischen gut erholten Tomatenpflanzen mit einzubeziehen. Es ist nicht auszuschließen das der Hochsommerstress auch einen Nachteil auf die Saatgutqualität haben kann.

Vorteile der Sortenvielfalt
Wie in den Jahren zuvor zeigte sich auch in diesem Sommer die Vorteile einer großen Sortenvielfalt im Hausgarten in Bezug auf die Risikostreuung. Manche bisher altbewährten Sorten wie 'Handschuhsheimer Feldtomate', 'Lukkulus', 'De Berao' versagten fast völlig. Als die Temperaturen endlich erträglich wurden hatten sich die Pflanzen bereits verabschiedet. Andere wie 'Homosa', 'Tigerella' legten ab September für weitere 2 Monate in bewährter Zuverlässigkeit los und anderen wie 'Fonarik', 'Black Eagle', 'Old Ivory Egg' schien jetzt erst richtig gut zu gehen. Erstaunlich ist das es mit 'Auriga' oder 'Blue Pitts' Tomatensorten gibt die sowohl in heißen als auch in kühleren Sommern gut gedeihen. Auf www.tomatenfinden.de habe ich meine Sortenbeschreibungen gerade noch einmal um die extremen Erfahrungen im Jahr 2018 ergänzt.

Wie sind die Sorten weiterentwickeln werden ist fraglich. Wer Freude an der eigenen Saatguternte hat sollte sich immer reichlich Saatgut von besonders gesunden Pflanzen ernten. Dabei sollten die Früchte jeweils von Saisonanfang, -mitte und -ende geerntet und eine Dokumentation der Sortenbesonderheiten dokumentiert werden. Die Pflanzenentwicklung hängt sehr stark von dem Kleinklima, der Bodenbeschaffenheit des Gartens, der Kulturführung ab und kann sich an verschiedenen Standorten völlig unterscheiden. Voraussetzung dafür ist samenfestes Saatgut. Die Samentüten haben normalerweise den Hinweis ob es F1 Hybriden sind oder Sorten. Hybriden lassen sich nicht mehr nachbauen. Dieses Saatgut muss jedesmal neugekauft werden.

Abschluß: Ein Winter ohne Winter?
Meine Freilluft Badesaison hätte ich  noch nach dem 18.10.18 fort setzen können. Noch im November hatten wir viele sonnige Tage mit Temperaturen von über 20 oder 25 °C in der Mittagszeit.  

FAZIT:
Ich glaube wir müssen in folgenden Jahren immer mehr Extreme berücksichtigen und für trocken, heiße Wetterphasen entsprechende Vorkehrungen mit Schattierungen oder Überdachungen treffen. Für mich ist es keineswegs sicher, das wir nur noch trockene heiße Sommer bekommen. Ich rechne durchaus auch noch mit kühlen verregneten Sommern. Abgesehen von der Tageslänge empfinde ich kaum noch die üblichen vier Jahreszeiten.

Für mich macht eine große Sortenvielfalt noch mehr Sinn. Selbst wenn einige Sorten völlig daneben gehen fühlen sich andere unter den gleichen Bedingungen wohl. Abgesehen davon kann ich mich immer weniger auf feste Pflanzzeiten verlassen und muss die Kulturarbeiten (z.B.: Pflanzen weniger ausgeizen, Saatgut dann ernten wenn es den Pflanzen am besten geht) ganz anderes wie gewohnt ausführen.
Wer ein eigenes Gartenland hat kann bis zu einem gewissen Maß Vorkehrungen treffen, dennoch sind wir vom Wirken der anderen weiterhin abhängig. Ich glaube nicht das eine isolierte gärtnerische Selbstversorgung auf Dauer möglich sein wird.
Auf den großen landwirtschaftlichen Flächen aber auch in vielen Grundstücken sehe ich bisher erschreckend wenig Anpassungen. Da kann ich nur hoffen das nur ich in dieser Beobachtung einen Wahrnehmungsfehler habe….