Samenfeste Sorten und F1-Hybriden

Wissenswerte Eigenschaften in Bezug auf ihre Nutzung aus der Sicht von Kleinanbauern /-innen

Samenfeste Sorten
Bis um etwa 1930 entwickelte die konventionelle Pflanzenzüchtung ausschließlich samenfeste Sorten durch Auslesen und speziellen Kreuzungen. Samenfeste Sorten können aus den Kernen ihrer Früchte sortenecht nachgezogen werden. Für eine gute Saatgutqualität und Sortenreinheit müssen viele weitere Schritte beachtet werden. Vorraussetzungen für gute Pflanzenauslesen sind z.B. große Bestände von mehreren dutzend Individueen einer Sorte, eine gute Pflanzegesundheit und die Vermeidung von Fremdeinkreuzung durch Kulturschutznetze. Doch viele Tomatensorten sind dank ihres Blütenaufbaues nicht so stark oder gar nicht verkreuzungsgefährdet. Prinzipiell ist ein Nachbau im Hausgarten möglich und man lernt vieles über das Leben der Pflanzen kennen.
Jedem steht hier die Möglichkeit offen, Saatgut selbst zu erzeugen. Es ist selbt bei geringen Anbaukenntnissen gut, einfach anzufangen und seine Erfahrungen zu sammeln. Ich habe am meisten durch Ausprobieren gelernt und tue das heute noch.  Das ist für mich so ähnlich wie im Open Source der Computerwelt. Der Quellcode/ die Nachzucht einer Sorte ist frei erfordert aber mehr persönlichen Einsatz um ein System besser an die individuellen Gegebenheiten anzupassen. 
Samen und Sorten sind Allgemeingut. In Symbiose von Menschen und Pflanzen entstand weltweit eine einzigartige Saatgutvielfalt. Einen kleinen Einblick davon geben alte Saatgutkataloge von den späten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.

F1-Hybriden
F1- Hybriden entstehen nach der Kreuzung zweier Inzuchlinie. Diese  Inzuchtlinen wurden zuvor intensiv züchterisch bearbeitet, das heißt auf bestimmte Merkmale ausgelesen. Oft müssen zur deutlichen Ausprägung einer Eigenschaft andere Pflanzenmerkmale zurückstecken, z.B. kann eine Linie sehr reichtragend aber nicht robust und die andere sehr robust aber nicht reichtragend sein.  Werden diese beiden Linien gekreuzt entwickeln ihre Nachfahren der ersten Generation (=F1)  außergewöhnlich gute Eigenschaften. Die Pflanzen können sowohl sehr ertragreich als auch sehr robust sein.  Kreuzen sich die F1- Hybriden wieder untereinander gehen die positiven Eigenschaften in der F2 Generation meistens wieder zurück.  Das F steht übrigens für das lateinische Worte Filia = zu deutsch Tochter. Die Ziffern bezeichnen die Generationen.
Erst mit der Entwicklung von F1-Hybriden, dem Einsatz von gentechnischen Methoden, der aktuellen  Anbauformen, der wachsenden Privatisierung von Pflanzen, Züchtungsverfahren, etc. nimmt die allgemein verfügbare Vielfalt ab. Die Vorteile dieser Entwicklungen sind perfekt angepasste, teilweise fast schon industrielle Speziallösungen gekoppelt an wirtschaftlichen Erfolg. Hybriden lassen sich gut vermarkten und sind vielleicht eine gute Lösung zur Lebensmittelversorgung. Aber eben nur eine. Wenn die Priorität nur noch auf kurz- oder maximal mittelfristigen Profit gelegt wird geraten die langfristigen Entwicklungen außer acht.
Ich sehe in F1-Hybriden zuerst einmal überhaupt nichts Negatives. In vieler Hinsicht machen F1- Hybriden das Leben einfacher. Sie sind einheitlicher, ertragreicher, lassen sich gut vermarkten und die ganze diffizile Arbeit der Saatguternte,- und aufbereitung wird an den Züchter delegiert. Durch bspw. die größeren Landflächen, höhere technische Standdards und mehr Mitarbeiteter haben Züchter von vornerein bessere Anbaubedingungen als ich mit meinem Hausgarten.
In Bezug auf die Saatgutqualität der Anpassung an heutige landwirtschaftliche, gärtnerische Betriebsstrukturen sind Hybriden oder züchterisch bearbeitetes Saatgut für mich eine der besten Lösungen. Analog zur Computerwelt würde ich das mit lizensierter Software vergleichen. Verführerisch gut, einfach und oft auch zuverlässig. Das die Züchter ihre langjährige Arbeit schützen, erhalten und bezahlt haben wollen ist für mich legitim und mehr als verständlich.
Es gibt durchaus wohlschmeckende Hybriden und auch sie haben meiner Ansicht nach ihren Platz. Ja - es gibt leckere Hollandtomaten!  Was von den Niederlanden von uns (-eren Discountern) eingekauft und dann  auf unsere Teller landet ist eine ganz andere Geschichte. 

Paraellsysteme
In einer Landwirtschaft, die nur noch auf käufliche Produkte setzt fehlt mir Entscheidendes. Ich vermisse funktionierende,  gute Paralellsysteme mit samenfesten Sorten. Mit samenfesten Sorten lassen sich im Laufe der Zeit regionaltypische Sortentypen auslesen und weiterentwickeln. Hybridsaatgut lässt sich normalerweise nicht mehr durch Nachbau vermehren und damit auch nicht weiterentwickeln. Es entstehen Abhängigkeiten zum Züchtungsbetrieb und durch viele andere,  völlig unterschiedlichen, teilweise voneinander unabhängigen  Dynamiken entsteht eine Verarmung der Vielfalt von Pflanzensorten und dem Leben an sich.
Ich habe nichts gegen Hybriden an sich, sondern eher mit den Begleiterscheinungen, diedie Zunahme von Hybridsorten in unsere  Gärten und Landwirtwirtschaft mit sich bringen. Das Land und die Ressourcen werden unter denen aufgeteilt die unter den gegebenen Rahmenbedingungen das meiste Kapital (erwirtschaftet) haben.  "The Winner takes it all."  Für engagierte Gärtner /- innen stehen oft nicht mehr die Mittel an Land und Zeit zur Verfügung. Schuldzuweisungen führen zu rein gar nichts. Die Zusammenhänge sind weitaus komplexer. Fest steht das hier eine Hauptursache für den Rückgang vieler Kultursorten liegt.
Es besteht die Gefahr, das die Freiheit einer allgemein verfügbaren Sortenvielfalt schwindet. Das Angebot wird geringer und mit jeder Sorte, Spezies gehen andere Lebensformen, Kulturtechniken, altes Wissen, liebenswerte Traditionen verloren. Manchmal ist ein solches Ausmustern in Ordnung,  doch oft überwiegen die Nachteile wenn etwas unwideruflich verloren geht. Zugunsten einer kurzfristigen Lösung z.B. die Superernten von Hybriden in Monokulturen, verabschieden sich mit der Vielfalt viele Lebensgrundlagen. Das sind oft genau die Lebensgrundlagen, die unter anderem die Entwicklung und Perfektion einer Hybride überhaupt ermöglichen.

Woran erkenne ich samenfeste Sorten

Den Pflanzen und ihren Früchten selbst ist es nicht anzusehen ob sie Hybriden sind oder samenfeste Sorten.
In Deutschland besteht eine Kennzeichnungspflicht für Saatgut, leider aber nicht für Früchte und Jungpflanzen. Wenn Ihnen der Zugriff auf samenfeste Sorten und deren Weiterentwicklung wichtig ist fragen Sie nach. Ausdauer zahlt sich aus.
Ein FREIER Markt reagiert immer auf Nachfrage.
Die beste mir bekannte Übersicht zu Bildungsangeboten und Saatgutbörsen ist auf dem Internetauftritt des Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) unter Kalender zu finden. Unsere Termine sind hier zu finden.

 

Bezugsquellen für samenfeste Sorten und Anbieter mit einer reichen Auswahl